Über die Zunft und das Zunftwesen


Zunft = (mittelhochdeutsch): was sich zimt, Schicklichkeit, Regel, der entsprechend eine Genossenschaft lebt, auch Gilde, Innung, Amt oder Gaffel genannt. Sie ist eine Bezeichnung für die vom Hohen Mittelalter bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts in allen europäischen Städten sich freiwillig bildenden, jedoch von der Obrigkeit mit Monopolrecht, dem Zunftzwang, das heißt Beitrittszwang, für den selbständigen Betrieb eines Gewerbes ausgestatteten genossenschaftlichen Verbände der Gewerbetreibenden Handwerker und Krämer. Namentlich das Produzentenintresse vertraten sie gegenüber der stadtfremden Konkurrenz, dem städtischen Rat sowie den übrigen Zünften. Daneben dienten sie aber auch politischen, militärischen, fürsorgerischen und religiösen Zwecken. Das Zunftwesen und die Kirche: Das Zunftwesen entfaltete sich aufgrund eines freien Genossenschaftsrechtes als „Gilde“ erst im frühmittelalterlichen Städte- und organisierten Handwerkerwesen (11./12.Jh.). Wohl kannte die Antike Berufsvereinigungen, z.B. die Innung der Salzfischhändler, der Gastwirte oder der Feldmesser. Wurden letztere in der Kaiserzeit verstaatlicht, so alle Innungen unter Alexander Severus (222-235):“ aus den freiwilligen Zusammenschluß beruhenden Genossenschaften wurden Zwangsvereine“. In der vorkonstantinischen Zeit blieben den Christen die Türen zum römischen Vereinswesen verschlossen. Das gilt auch für das nachkonstantinische 4./5. Jahrhundert, weil ähnlich wie bei den Stadtverwaltungen das Zunftwesen weithin eine „Provinz“ paganer Tradition und heidnischer Opposition geworden war. Die Zerstörung spätrömischer Stadtkultur durch die Völkerwanderung ließ es garnicht erst zu einem christlichen Zunftwesen kommen, zumal die weiteren Jahrhunderte im Zeichen der Agrarwirtschaft und ihres Feudalwesens standen. Erst im 11./12. Jahrhundert blühte das Zunftwesen wieder auf, wobei neue Handwerkszweige, auch neue Gilden ins Leben gerufen wurden. Die Integrierung des frühmittelalterlichen Zunftwesens in das kirchliche war dann ein weiterer Schritt. Es entstanden die Bruderschaften, vor allem als Hospitalgenossenschaften (Hospitaliter). Da jedes Handwerk seinen Heiligen hatte, verfügten die mittelalterlichen Zünfte nicht nur über eigene Altäre, die sie finanzierten, sondern waren auch an der Gestaltung der Heiligenfeste intensiv beteiligt. Ihren Höhepunkt erreichte diese Verkirchlichung im 15. Jahrhundert. Mit dem Schwinden des religiösen Engagements besonders in den Gesellenbruderschaften stellten sich allerdings im 16. Jahrhundert auch Entartungserscheinungen ein, die Luther in einem Nachwort zu seinem „Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams“ anprangerte. Im protestantischen Bereich konnten sich jedoch Bruderschaften wie der Kaland in säkularer Gestalt, z.B. als Feuer- und Hagelversicherung bis heute erhalten. In katholischen Ländern hingegen kommt die kirchliche Einbindung des Zunftwesens kaum zufällig bei der Fronleichnamsprozession noch heute zur Darstellung, in der die Gilden mit den Fahnenbildern ihrer Heiligen zu sehen sind. Nach der Prozession werden die Fahnenbilder im Kirchenschiff aufgehängt. Die Handwerkerzunft: Die frühesten deutschen Urkunden über das Zunftwesen stammen aus dem 11./12 Jahrhundert. Während des Mittelalters waren neben den handwerklichen auch nahezu sämtliche nichthandwerklichen Berufstätigen, u. A. Notare und Musikanten, sogar Bettler und Dirnen in Zünften organisiert. Sie stellten jedoch eine Minderheit dar. Im Einvernehmen mit der städtischen Obrigkeit erließen die Zünfte verbindliche Vorschriften über die Arbeitszeit, die Höchstzahl von Lehrlingen und Gesellen pro Betrieb, deren Rechte und Pflichten dem Meister gegenüber, über die Aufnahme von Meistern, die Warenqualität, gegen unlauteren Wettbewerb etc.. Die Rechte, Pflichten sowie Privilegien der Zunft, ebenfalls der Zunftmeister, waren in Zunftbüchern (Rollen oder Schragen) niedergelegt. Sie wurden bei Bedarf durch die Obrigkeit erneuert und bestätigt. Häufig bildeten spezielle Zunfthäuser, Gewandhäuser, Tuchhäuser den Mittelpunkt des Zunftlebens. Der nicht zur Zunft gehörende Handwerker, auch Bönhase oder Pfuscher genannt, wurde boykottiert. Der Tätigkeitsbereich der einzelnen Zünfte untereinander war scharf abgegrenzt. Diese Entwicklung ist vor allem seit dem späten Mittelalter zu beobachten. Im 15. Jahrhundert, das heißt mit dem Aufkommen strenger Aufnahmebestimmungen, wozu ehrliche Herkunft, eheliche Geburt, guter Leumund, besonderer Vermögensnachweis gehörten, erreichte die Abgrenzung, auch „Schließung“ genannt , ihren Höhepunkt. Auf Grund der Monopolstellung, die die Zünfte hinsichtlich der einzelnen Produktionsbereiche einnahmen, sahen sie sich veranlaßt, für gerechten Preis, gemeinsamen Einkauf, die Zuteilung der Rohstoffe, Arbeitszeitregelung, Roduktionsüberwachung etc. zu sorgen, um die Produktion qualitativ hervorragender „zünftiger“ Erzeugnisse zu erreichen. Aus dieser Situation heraus entwickelte sich das Arbeitsethos der Handwerker. Die Leitung der Zunft lag bei dem von der allgemeinen Zunftversammlung, der Morgensprache, gewählten Zunftmeister. Es gab ein eigenes Gericht der Zunft, das für die Zunftgenossen Recht sprach. Das Zunftrecht war in Zunftordnungen und Zunftbriefen niedergelegt. Das System der Haupt-, Unter- oder Nebenladen stellte eine übergebietliche Organisation bei weit verbreiteten Handwerkern dar. Teilweise auf dem Umweg über Revolutionen erreichten die Zünfte im Spätmittelalter die Teilnahme am Stadtregiment, das heißt daß ihre Meister in den Rat aufgenommen wurden. Im Falle einer notwendig werdenden Stadtverteidigung wurde die Zunft als geschlossene Formation eingesetzt und ihr ein Mauerabschnitt übertragen. Zu Gesellenaufständen kam es an zahlreichen Plätzen, weil die aus der Bevorzugung der Meistersöhne bei der Neubesetzung von Meisterstellen resultierende Benachteiligung der Gesellen Unzufriedenheit hervorrief. Deutlichere Formen der inneren Auflösung des Zunftwesens sind seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zu beobachten. Trotz zahlreicher Reichsabschiede, die sich gegen die Mißstände richteten, konnte diese nicht beseitigt werden. Mit dem Reichsbeschluß von 1731 gegen die Mißbräuche im Handwerk fand die Zunftgesetzgebung des alten Deutschen Reiches ihr Ende. Nachdem die Zunftschranken in England im 18. Jahrhundert gefallen waren, fielen sie unter anderem in Frankreich 1791, in Preußen 1807,1810. Im Übrigen Deutschland, in der Schweiz sowie in Österreich-Ungarn um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Neue Formen des beruflichen Zusammenschlusses im Anschluß an die Aufhebung der Zünfte stellen heute die Innungen dar.